Entgegen der ersten Abmachung gingen Jasra und ich doch getrennte Wege, um uns bei Hofe ihres Sohnes zu verabreden.

    Der Flug nach Kashfa war anstrengender als erwartet, besonders weil das Wetter nach Amber hin immer schlechter und unangenehmer wurde. Letztendlich erreichten wir aber doch die Gefilde des Golden Circels und ich ueberliess Twister seinem Schicksaal, waehrend ich mir in einem Bauernhaus ein paar Stunden Schlaf, was warmes im Bauch und trockene Kleidung besorgte. Gedanklich notierte ich mir, dass ich ab jetzt nie mehr ohne Gepaeck mit Ersatzklamotten durch die Schatten ziehen werde.

    Bei Luke im Hof angekommen renne ich dem Koenig schnell in die Arme, der zumindest so tut, als ob er erfreut waere, mich wiederzusehen, und sich dann natuerlich auch sofort dafuer interessiert, wo ich denn die letzte Zeit gewesen war. Fuenf Monate sind in Kashfa ins Land gezogen, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten! Dann ist die Sache mit Merlin und bla sicher schon geloest, bin ich ueberzeugt, aber dem scheint nicht so. Im Gegenteil: Er hat keine neuen Informationen und es scheint sich auch nichts neues getan zu haben. Ob denn Merlin immer noch in der Mitte von Corwins Pattern steht? Achselzucken. Unglaublich! Unfaehig.

    Bei Tisch sitzt neben der ganzen Sippe auch das kleine Maedchen, mit dem Vincent in Paris durch die Gegend getigert war, ihr Name ist Marla. Aber da ich kleine Kinder eher als Last denn als Lust empfinde, kuemmere ich mich auch nicht weiter um sie. Die Wege nach Amber sind immer noch nicht wirklich frei, aber da man den Handel nicht fuer so lange Zeit unterbinden konnte, ist es inzwischen nur noch eine Frage der Formalitaeten und Beziehungen, eine Durchreisegelegenheit zu erlangen. Und diese Beziehungen hat Luke, soweit sein Angebot, mir morgen ein Schiff klar zu machen, zu deuten ist. Zunaechst aber lehne ich ab, da ich auf Jasra hier warten wollte. Dass wir seinen Hof als Treffpunkt deklariert haben, gefaellt ihm wahrscheinlich noch weniger als die Tatsache, wieder mit seiner Mutter konfrontiert zu werden. Nun, wenn er Zicken macht, dann kann man ihn ja mal mit seiner vaeterlichen Abstammung konfrontieren...

    Abends, auf dem Weg in mein Zimmer bekomme ich einen Trumpcall, und bin nicht schlecht erstaunt, als ich merke, dass er von Vincent kommt. Zwei Floskeln, und die Erwaehnung, dass ich in Kashfa bin (oder dass ich in Kuerze hier Jasra erwarte?), und er bittet mich, ihm einen schnellen Durchgang zu gewaehren, eine Bitte, fuer die ich keinen Grund, ausser, dass er mir absolut unsympathisch ist, sehe, sie ihm abzuschlagen, so dass er kurz darauf neben mir steht. Aber auch er habe die letzte Zeit nur in Amber zugebracht (ist ganz stolz auf sein eigenes Zimmer im Schloss und seine neuen Beziehungen zu unserer Sippe), so dass auch er keine Neuigkeiten ueber die Vorfaelle, die unser Kennenlernen bedingten, zu nennen vermochte angab. Dann ging er sich beim Koenig zu melden.

    Am naechsten Morgen fand man sich bei Tische wieder zusammen, und da ich eigentlich wenig Lust verspuerte, hier die ganze Zeit herumzusitzen, Daeumchen zu drehen und auf Jasra zu warten, kam ich auf Lukes gestriges Angebot zurueck, mir einen schnellen Transfer nach Amber zu besorgen. Vincent stieg sofort mit darauf ein, da er der kleinen Marla Amber zeigen wollte, oder so (wenns um Kinder geht, schwindet mein Interesse immer bedenklich). Auf eine Hoeflichkeitsfrage schloss sich sogar Luke unserer Reisegessellschaft an, mich davor allerdings als Gouvernante fuer Marla erklaerend. Und weil Maenner sich wohl fachkundig fuehlen Kinder bei Frauen unterzubringen, willigte ich ein.

    Stunden spaeter standen wir auf dem Schiff, und ich hatte Gelegenheit, Vincent mal zur Seite zu nehmen und ihn nach dem Kind zu fragen, aber er war nicht willig mir wirklich Auskunft zu geben. Er habe es anvertraut bekommen, und sie sei eine von uns; mehr war nicht zu holen. Egal. Was interessiert mich auch ein Kind!

    Einen Tag spaeter am Morgen in Amber angekommen, meinte Vincent, dass er mit Marla gerne noch einen kleinen Ausritt machen wolle, um ihr die Gegend zu zeigen, und ich und Luke haengen uns uneingeladen einfach mit dazu. Irgendetwas in mir ist einfach fasziniert von Vincent (wofuer ich mich eigentlich selber hasse). Nach einem Besuch bei einem Einhorn-Schrein schlaegt Vincent fuer Marla ein Wettrennen vor, und Luke ist schon nur noch eine Staubwolke. Ich ziehe kurz darauf ebenfalls an Vincent vorbei, der wegen Marla wohl nicht so schnell so gut kann wie man meinen sollte, und als ich dann bei Luke an der Landmarke stehe und ein, zwei Minuten vergeblich auf ihn warte, ahnen wir, dass er nicht mehr kommen wird. Auch beim Zurueckreiten erwarten wir nicht wirklich, eine Spur von den beiden zu finden.

    Shit. Luke haengt sich mal wieder daran auf, dass er mir die Verantwortung ueber Marla gegeben hat, und wie ich nur zulassen konnte, dass sie bei Vincent sitzt. Dass Marla von Anfang an unter Vincents Obhut stand, und Luke die Verantwortung nur von Jasra, die sie ebenfalls nur von Vincent bekommen hat, vermag seinen beschraenkten Geist nicht zu durchdringen, er sieht nur, dass sich hier etwas hinter seinen Ruecken abspielt und er die Schuld dafuer auf jemand anderen abwaelzen muss. Elender Abschaum.

    Im Schloss von Amber verdraenge ich diese negativen Ereignisse und geniesse den suessen Duft, der die Luft schwaengert, und die vereinzelten Sonnenstrahlen, die sich durch den dunklen Himmel verirren. Zuhause? Nein, in Urlaub.

    Abends kontaktiert mich Renadorn und holt mich auf den Boden der Tatsachen zurueck: er war bei Jasras Burg, wo sich kurz davor eine Armee die Zaehne ausgebissen hat. Jasra selber habe ihm einen Hilferuf gesandt, aber scheinbar war er zu spaet, da von ihr jetzt jede Spur fehlt. Ich soll also Luke ausrichten, dass er ihn antrumpen solle, derzeit befinde er sich auch in Kashfa. Ueber Marla wollte/konnte er mir auch nichts naeheres berichten. Ich richtete Luke Renadorns Bitte aus und ging zu Bett.